Von Greppolungo nach Resceto

 

Dieser Wanderbericht wurde 2014 in der "Badenzeit", der Jahresschrift des VCP Land Baden veröffentlicht. Unsere Route auf der Alta Via der Alpi Apuani richtete sich im Wesentlichen nach dem Vorschlag aus dem Buch "Marmor, Meer und Maultierpfade" (Pepo Hofstetter, Rotpunktverlag 2010), wobei sie rückwärts, also von Tag 7 bis 3 gelaufen wurde:

 

 

 

Es ist der 22. August 2014. Vom Norden bis in den tiefsten Süden schrillen in Baden die Wecker am frühen Morgen. Was ist los? Richtig geraten, die Bergsportgruppe bricht zu einer neuen Tour auf! 12 gut gelaunte Pfadis machen sich in Richtung Italien auf. Diesen Sommer führt uns die Fahrt an den Rand der Toscana in die Alpi Apuane - die Apuanischen Alpen. Dank eines frisch gewarteten T5 von Europcar und Henriks altbewährter Rennmaschine kommen wir, dieses Mal pannenfrei, am Start und Zielort unserer Bergtour, Greppolungo an. Im wunderschön urigen Ferienhaus von Julias Eltern eingenistet, wird mordsmäßig Bolo gekocht und geschlemmt. Zum Leidwesen von Lörch zum letzten Mal für die nächsten paar Tage. Fabian hat zum Glück eine Vorahnung vom Wanderspeiseplan und genehmigt sich 5 Teller. Auch alle anderen langen ordentlich zu, um die Speicher noch einmal aufzufüllen. Für die Tour gab es dieses Mal nämlich vorbereitete und in Ziplockbeutel verpackte Bergsportlernahrung, aufs Gramm abgewogen und fertig gewürzt. Die Speise für Götter wurde noch am Abend auf die gelosten Kochgruppen (Wichtel, Lurchis und Breitmaulfrösche) verteilt. Gut, dass wir unseren Kummer über fehlende Kohtenplanen und Seile mit einem Gläschen Toscana-Wein besänftigen konnten. Über den Verbleib der Planen in Deutschland und etwaige Schuldige an diesem Unglück wurde in den kommenden Tagen wild spekuliert, an dieser Stelle einen Gruß an Bär, der dieses Mal wohl bewusst fehlte ;)

 

Noch einmal klingelten die Wecker am nächsten Tag in aller Herrgottsfrühe. Tobi wurde noch vom Bahnhof aufgegabelt, bevor die Rucksäcke geschultert und losgewandert werden konnte. Während die einen von Erdwespen verspeist wurden (Gold ging an Marlene (12 Stiche), Silber an Anne (7), Bronze an Johannes (5)) durften sich alle am kühlen, nassen Regenwetter erfreuen.  Als der Himmel beschloss es statt Bindfäden Eimer Regnen zu lassen, wurde kurzerhand darüber abgestimmt, einen Weg zurück zum Haus einzuschlagen. Die Zuckerpfadis verloren und so marschierten wir den Rest des Tages zu unserem ersten Ziel, dem Rifugio Forte dei Marmi. Die freundliche Hüttenwirtin lockte uns mit 50% Rabatt pro Übernachtung, warmen Duschen und gemütlichen Betten und so entschlossen wir uns, auch wegen der bereits erwähnten und leider immer noch nicht vorhandenen Kohtenplanen, das Angebot anzunehmen. Nachdem wir bei einer Runde Werwolf den Abend angestimmt hatten, wurden wir zu heimlichen Videostars, denn die Hüttengehilfen filmten unsere musikalische Glanzdarbietung deutscher Fahrtenlieder!

 

Frisch ausgeruht und zumindest teilweise frisch geduscht (3 Euro!), brachen wir am folgenden Tag und besserem Wetter auf. In einem phänomenalen Kraftakt überwand die Gruppe einen Anstieg von etwa 400 Höhenmetern in 45 Minuten! Bei strahlender Sonne trockneten wir unsere verschwitzten Shirts und genossen eine Brotzeit bei einer kleinen Kapelle. Gestärkt ging es weiter, zunächst steil hinauf, dann durch einen kleine Klamm und ein ausgetrocknetes Bachbett hinab. Andrés kurzfristige miese Laune konnte dank Julias Antischlechtelaunefrüchteriegel erfolgreich bekämpft werden- Unterzuckerung ist scheiße. Es ging nochmals über grasbewachsene Steilhänge hinauf, von oben verspottete uns Muffelwild, die sich hier wohl deutlich besser bewegen können. Ganz pfadfinderisch wurde unserem Gruppenneuling Jo (der dankenswerterweise seine Gitalele mitschleppte) Gewicht abgenommen, sodass wir nach der Passage des zerklüfteten Schneemännerpasses am Abend jeder müde aber glücklich das Rifugio del Freo am Fuße der Panía della Croce erreichte. Der laut Tourenführer so gut gelaunte, surfende Hüttenwirt (Zitat: „Ein Hüttenwart mit Leib und Seele […], für ihn ist das Rifugio weit mehr, als eine touristische Einrichtung, […]eine kulturelle Bastion.“) war wohl mit dem falschen Fuß aufgestanden, denn Fabian und André mussten ihren ganzen Charme spielen lassen, um Betten zu bekommen. Doch dann taute sein Herz auf und wir bekamen am kühlen Abend sogar heiße Schokolade, Hopfenkaltschale und ein wärmendes Kaminfeuer.

Früh am nächsten Tag peppten die fleißigen Sammler Anne, Johannes, Marlene und Julia den nahrhaften und extrem körnigen Frühstücksbrei mit frischen Blaubeeren auf. Mjami! Bei Sonnenschein ging es zunächst – mal wieder ziemlich steil - das karstige Valle del Inferno hinauf. Julia untermalte die fantastische Aussicht mit einer Legende zur Landschaft. Angeblich befanden wir uns auf dem Körper eines versteinerten Riesen – des Uomo Morto (siehe Fotos)! Die Beine fühlten sich nach dem knackigen Aufstieg über dessen Schenkel auch beinahe versteinert an, die Aussicht von einem seiner Knie entschädigte jedoch für die Qual und wieder gab es Mufflons zu sehen, die an der steil abfallenden Westflanke mühelos entlangturnten. Wolkenfetzen flogen uns entgegen und gaben doch immer wieder das Gebirgspanorama und das Mittelmeer frei.

 

In Serpentinen ging es langsam wieder hinab zur Baumgrenze, an der wir von einem freundlichen Gnom begrüßt wurden. Kurze Zeit später rasteten wir am Rifugio del Freo, wo wir von aufdringlichen Katzen um Reste vom Schwarzwälder Schinken angebettelt wurden. Schnell ging es weiter durch die verlassenen Almen von Puntato, die heute nur noch vom Rifugio La Quiete belebt werden. Gesäumt von perfekt gepflanzten Buchenreihen schlängelte sich der gemütliche Weg durch die verlassenen Terrassen und unsere Konzentration und schwärmende Gespräche konnten endlich auf das Wichtigste gelenkt werden: Die Zutaten eines perfekten Grillspektakels am letzten Abend unserer Unternehmung . In unserer von Brei und Körnern bestimmten Wanderkost fehlte es wirklich an nahrhaftem, sodass nun jeder gedankenverloren vor sich hin speichelte.

In Campagrina, einem kleinen Dörfchen im angrenzenden Tal bekamen wir vom freundlichen Simone, der mit Hingabe seinen weißen Alfa Romeo Giullietta wusch, den wertvollen Tipp für ein Nachtlager. In Italospanenglisch verständigten wir uns auf einen Schlafplatz neben der alten Kirche, wo es bereits einen perfekten Lagerfeuerplatz für unser abendliches Bergfest gab. Mitten in unsere Gitalele-Singerunde knatterte Simone mit seiner Vespa und forderte uns zu einem deutsch-italienischen Fußballduell auf dem nahen Hartplatz heraus. Dankend lehnten wir die Revanche für das WM-Halbfinale von 2006 und der Euro 2012 ab und mussten bei dem Gedanken doch ziemlich lachen, als klischeehafte Rumpelfußballer mit Wanderschuhen so ganz dem Bild der Deutschen im Ausland zu entsprechen.

 

Eine sternenklare Nacht wurde vom latenten Nieselregen des vorletzten Tages beendet, der uns nach einer Phase des Abwartens doch zurück auf den Weg Richtung Monte Tambura trieb. Durch schier endlose Kehren der Steinbrüche von Arni ging es bei Nebel, Dauerregen und Einheitsgrau der Wolken und vernarbten Berghänge hinauf zum Passo die Sella, den wir eiligst überquerten, um wieder die Wolkengrenze zu erreichen. Auf der Rückseite des Berghangs kamen wir in den Genuss der Via Vandelli kamen. Eine kilometerlange Straße, die sich der Herzog von Modena von 1738 bis 1752 in den Hang bauen ließ, um endlich als erster Herzog mit seinem Pferdewagen das Meer auf eigenem Gebiet zu erreichen. Einziges Manko: die Kurven waren dafür zu eng, weshalb der Erbauer Vandelli 1754 Selbstmord begangen haben soll. Wir sind trotzdem dankbar, denn der Weg windet sich nicht nur in vollendeter Eleganz an halsbrecherischen Steilhängen hinauf zum Passo della Tambura auf 1620 Metern Höhe, sondern macht den Aufstieg auch ohne Kutsche ziemlich einfach.

Wir durchschreiten das atemberaubende Tor des Passo della Tambura zwischen den zwei beeindruckenden Gipfeln des Tambura und dem Alto die Sella und trocknen im scharfen Wind unsere T-Shirts. Nach kurzer Beratschlagung ist klar: es bleibt genug Zeit, um das nahegelegene Rifugio auszulassen und gleich den Zielort Resceto anzusteuern. Henrik und André steigen nach einer gewonnen Runde Schere-Stein-Papier in Höggschtgeschwindigkeit die restliche Via Vandelli hinab und holen mit dem dort abgestellten Bus trotz Feierabendverkehr im Eiltempo das zweite Auto ab. Der Rest meistert den Abstieg in aller Ruhe, verweilt bei den schönen Ausblicken auf die Via Vandelli und den ebenfalls beeindruckenden Marmorblockrutschen, die überall von den Hängen ins Tal führen. In Resceto bleibt noch genug Zeit, um Doppelkopf zu spielen, was nur von einer anhänglichen Katze gestört wird, die sich am Liebsten mitten auf die Decke des Spielfelds setzt. Grobe Akte der Vertreibung werden vom radikalen Katzenfreund Peter unter Androhung körperlicher Gewalt im Ansatz und mit aller gebotener Schärfe unterbunden.

 

Spätabends erreichen wir glücklich das rickensche Haus, freuen uns über eine warme und ausgiebige Mahlzeit und sie froh, das letzte Teilstück schon heute bezwungen zu haben. So bleibt ein ganzer Tag zur Erholung von den Strapazen am Strand, wo lange in den Wellen getobt und zu den Klängen von Jos Gitarlele im Sand gefläzt wird. Beim abendlichen Grillen bleibt kein auf der Wanderung gehegter Wunsch offen und es bleibt Zeit für eine abschließende Singerunde.

 

Henrik Vettel erreicht noch vor Einbruch der Dunkelheit Deutschland, während es der Bus gemütlicher angehen lässt und eine Nacht in Freiburg verbringt. Durch den Strandtag von allen Strapazen erholt, erreicht die Bergsportgruppe glücklich wieder Baden und freut sich schon auf die Herausforderung im nächsten Jahr!

Gut Pfad!

 

Eure Liebsten Twei - André und Fabian

 

 

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© Martin Ricken